Hier finden Sie die Predigt, die bei der diesjährigen Feier des Heimgangs des heiligen Franziskus von Assisi in unserer Kirche gehalten wurde:
Predigt bei der Feier des Transitus am 03.10. 2019
Liebe Gemeinde,
seit Franziskaner als Priester in unserer Pfarrei tätig sind, begehen wir in jedem Jahr auf für mich immer neu eindrucksvolle Weise den heutigen Transitus, den Hinübergang des Hl. Franziskus. Ein außergewöhnliches Leben der Suche und des Findens, eine ganz besondere Berufung, die auch heute noch, nach über 800 Jahren überaus wirksam ist, erreicht im Sterben den Höhepunkt.
Wir hören in dieser Feier mehr davon.
1. Blick in die Zeit
Werfen wir heute Abend in einem ersten Gedankenschritt einen Blick auf die heutige Zeit:
Wir begehen an diesem 3. Oktober auch den Gedenktag der Deutschen Einheit. Vor 30 Jahren fiel die Mauer, und es fand der Zusammenschluss von West- und Ostdeutschland statt, mit dem eine neue Zeit in Europa begann. Die gefühlte Lebenswirklichkeit vieler Menschen in Europa heute ist allerdings geprägt von Unsicherheit und Entwurzelung, von zunehmendem Nationalismus und Ablehnung bestimmter Menschengruppen und, damit verbunden, der Suche nach Lösungen, die aber wahrhaft nicht schnell zu finden sind. Das Wort „Wir brauchen eine Erneuerung“ ist ein viel zitiertes und sozusagen allgegenwärtiges, nicht nur im Raum der Kirche. Es lohnt sich, auf dem Hintergrund der heutigen Zeit von Gesellschaft, Kirche und unserer Pfarrei an diesem Abend auf den Heiligen Franziskus zu schauen und auf seine Art und Weise, Erneuerung zu suchen und zu gestalten. Der rote Faden meiner Gedanken ist
Wie geht es weiter mit unserer Kirche in Deutschland und in Europa, wie mit unserer Pfarrei auf dem Weg in die Zukunft? Diese Frage stellen sich nicht nur viele Hauptamtliche, mit dem Pfarrentwicklungsprozess Beschäftigte und Ehrenamtliche, sondern viele Christen in Deutschland. Im Juli dieses Jahres hat die Deutsche Bischofskonferenz die neuesten Austrittszahlen vorgelegt.
Gegenüber dem Vorjahr 2017
: „Herr, bau deine Kirche wieder auf und fange bei mir an!“ Wir
könnten auch ergänzen im Blick auf die Gestaltung des Altarraums: „Herr, bau
deine Kirche wieder auf und fange bei mir an Kirche neu zu denken!
Im Jahr 2018 haben rund 216.000 Katholiken vor den staatlichen Behörden
ihren Austritt aus der Kath. Kirche erklärt.
stiegen die Kirchenaustritte um nahezu 29 Prozent an. Mittlerweile sind nur
noch knapp 28 Prozent der deutschen Gesamtbevölkerung Mitglieder der
katholischen Kirche, also etwa nur noch ein Viertel.
Erschreckende, alarmierende Zahlen!! Die Gründe für diese Kirchenaustritte
sind vielfältig und nicht leicht zu greifen. Und doch sei die etwas provokative
Frage erlaubt: Hätten all diese Menschen die Kirche verlassen, wenn sie
wenigstens einem überzeugten und überzeugenden Christen näher begegnet
wären, durch den sie etwas von der Lebenskraft des Glaubens und der Liebe
Gottes erlebt hätten?
Vor kurzem habe ich mir hinten aus unserer Kirche das Buch mitgenommen
von Thomas Frings, dem Großneffen des bekannten Kölner Kardinals Joseph
Frings, mit dem Titel: „Aus, Amen, Ende? So kann ich nicht mehr Pfarrer sein.“
Auf den ersten Seiten hat mich ein Erlebnis, das er schildert, sehr berührt. Er
schreibt:
„Der Wunsch, vor Ort präsent zu bleiben, erfüllt sich am leichtesten durch
Gebäude. Auch mein Herz hängt daran. Meine zweite Gemeinde verließ ich im
Wissen aller, dass danach kein Seelsorger mehr ins Pfarrhaus einziehen wird.
Ein freundlicher Herr mittleren Alters sprach mich beim Einkaufen auf der
Straße an und sagte: „Ich bin zwar nie in die Kirche gekommen, aber dass Sie
nicht mehr hier wohnen werden, das berührt mich. Da wird mir was fehlen!“
„Das sind Momente“, so Frings weiter, „wo mir im Vorbeigehen schlagartig
deutlich ist, was ein Priester (wir könnten auch ergänzen: ein Christ) eben auch
ist, und doch lässt es sich kaum in Worte fassen. Wir sind nicht nur
Dienstleister, sondern Platzhalter für etwas ganz anderes in der Welt.“
Was ist die Aufgabe eines solchen Platzhalters? Ein Platzhalter, das ist jemand,
der für einen anderen einen Platz besetzt, einen Platz frei macht.
In gewisser Weise lässt sich auch der Heilige Franziskus als einen solchen
Platzhalter beschreiben, als einen Platzhalter für Christus. Er wird bezeichnet
als ein alter Christus, ein anderer Christus, ein Mensch, der ganz und gar wie
Christus sein und leben wollte. Einige Etappen seiner Biographie zeigen uns,
wie Gott diesen reichen Kaufmannssohn und ehrgeizigen Ritter allmählich zu
seiner tiefsten Berufung führte. Schauen wir sie uns ein wenig ausführlicher an:
2. Etappen aus dem Leben des Heiligen Franziskus
Franziskus, eigentlich Francesco Bernadone, wird 1182 als Sohn eines
Die erste Etappe:
– Ich verheiße dir durch deine Familie ein sorgenfreies, gutes und glückliches
Leben.
reichen Tuchhändlers in der mittelitalienischen Stadt Assisi geboren. Er genießt die Vorzüge eines reichen Familienhauses mit Bildung, Wohlstand und Geld in vollen Zügen.
Seine sorglose Jugend geht zu Ende, als die Auseinandersetzungen der rivalisierenden Städte in Umbrien losbrechen. Aus dem Drang heraus, Ruhm und Ehre zu erwerben, nimmt er 1202 an einem Feldzug gegen die Nachbarstadt Perugia teil. Er wird gefangen genommen und verbringt ein Jahr im Kerker, bevor er gegen ein Lösegeld freigelassen wird.
Diese harte Zeit im dunklem Kerker löst in dem jungen Franziskus Fragen nach einem sinnerfüllten Leben auf. Was soll ich tun, wozu bin ich berufen? Reichtum, Macht und politischer Einfluss, das versteht er immer besser, geben seiner inneren Suche keine Perspektive.
Drei Jahre später versucht er sich erneut als Ritter und nimmt an einem Feldzug nach Süditalien teil. Während des Feldzuges hat er einen Traum, in dem Gott ihn mit den Worten anspricht: “Welchem Herren willst du dienen, einem geringen oder dem größten?” Er bricht die Teilnahme an dem Feldzug ab und beschließt, sein Leben in den Dienst Gottes zu stellen.
– Zweite Etappe: Ich zeige dir den Weg zum eigentlichen Sinn deines Lebens!
Die Begegnung mit einem Aussätzigen, den er umarmt, bezeichnet er in seinem Testament als den entscheidenden Wendepunkt seines Lebens. In ihm erkennt er, dass Gott uns in Gestalt der Armen und Ausgegrenzten begegnet, und dass auch Jesus aus diesem Grund arm lebte und verfolgt wurde. Es kommt zum Konflikt mit dem Vater, der das neue Leben seines Sohnes nicht akzeptieren kann und ihn bei Gericht verklagt. Da Franziskus zunächst noch nicht weiß, wie er sein religiöses Leben gestalten soll, verbringt er in den nächsten Jahren viel Zeit in der Umgebung von Assisi und in Kirchen. In der zerfallenen Kirche von San Damiano hat er eine Vision. Die drei Gefährten erzählen: „Er betritt die Kirche und beginnt innig vor einem Bild des Gekreuzigten zu beten, das ihn liebevoll und gütig auf folgende Weise anspricht: Franziskus, siehst du nicht, dass mein Haus in Verfall gerät? Geh also hin und stelle es mir wieder her!‘ Zitternd und staunend spricht Franziskus: ,Gerne, Herr, will ich es tun.‘ Er meint nämlich, dass sich das Wort auf jene Kirche San Damiano beziehe, die ihres hohen Alters wegen demnächst einzufallen drohte“ (3 Gef 13).
Franziskus nimmt den Auftrag wörtlich, erbettelt sich Steine und Baumaterial und renoviert diese Kirche. Mit der Zeit erkennt er, dass der Auftrag auch im übertragenen Sinn zu verstehen ist, als eine Aufforderung zur Reform der ganzen Kirche, die unter Spaltungen und Machtmissbrauch leidet.
3. Etappe: Geh und bau meine Kirche wieder auf!
Lange Zeit von den Bürgern nicht verstanden und in der Stadt Assisi als verrückt verschrien, findet seine Art zu leben bald auch Bewunderer und Nachfolger. Die Lebensweise des jungen Franziskus wird zu einem Ideal und konkreten Gegenentwurf für gut situierte Bürger der Stadt Assisi, so sehr, dass angesehene Männer ihr Hab und Gut verschenken, um frei vor Gott und mit den Armen zu leben und sich Franziskus anschließen. Eine Gemeinschaft entsteht, deren Grundlage des Zusammenlebens die Heilige Schrift ist. Sie beginnen eine einfache Predigttätigkeit und geben sich eine Regel, die aus Zitaten aus dem Evangelium besteht.
Weil diese Gruppe immer wieder verdächtigt wird, ketzerisch zu sein, und nichtkirchliche Lehren zu verkündigen, ein im Mittelalter lebensgefährlicher Vorwurf, zieht Franziskus mit seinen Gefährten nach Rom. Papst Innozenz III. bestätigt im Jahre 1210 die Ordensregel der Franziskaner, die auf Besitzlosigkeit und der evangelischen Macht der Demut und Gewaltlosigkeit basiert. In einem Traum sieht der Papst in der Nacht vorher die Laterankirche, wie sie ins Wanken gerät. Ein armer Mönch eilt herbei und stützt die Kirche, sodass sie nicht zusammenkracht. Am nächsten Tag kommt Franziskus zu ihm und bittet um die Bestätigung seines Ordens. In ihm erkennt der Papst den armen Mönch, der die Kirche gestützt hat.
Nach der Rückkehr von Franziskus von einem Besuch in Palästina kommt es zu Konflikten im Orden. Viele Brüder wollen eine Lockerung des Armutsgebotes und eine Verlagerung des Schwerpunktes weg vom Dienst an den Armen und hin zu Theologie und Predigt.
Franziskus verfasst eine neue Ordensregel, die 1223 von der Versammlung der Brüder angenommen und vom Papst bestätigt wird.
4. Etappe: Ich verheiße dir das Leben in Fülle!
Ein Jahr später zieht sich Franziskus oft für längere Zeit zum Gebet zurück und hat am Berg Alverna eine Vision des gekreuzigten Christus, nach der die Wundmale an seinem Körper zu sehen sind.
Am 3. Oktober 1226 stirbt er nach Sonnenuntergang, begleitet von den anwesenden Brüdern. Für ihn ist es ein
Transitus, ein Hinübergang zu Gott, eine Verwandlung. Die letzten Worte, die er an seine Brüder richtet, sind: „Ich habe das Meine getan, was euer ist, möge euch Christus lehren.“
Erschöpft von den vielen Strapazen und schwer krank kehrt er dann in seine
Heimatstadt nach Assisi zurück.
Bereits 2 Jahre später, im Jahre 1228, wird Franziskus von Papst Gregor IX. heiliggesprochen.
Kurz vor seinem Tod gibt er seinen Gefährten auch noch diesen Rat: „Lasst uns anfangen!“ Und wie hat es angefangen? Damit, dass er Gott anfleht: Erleuchte die Finsternis meines Herzens, zeige mir deinen Auftrag für mich.
Franziskus hat dann angefangen, Kirche zu gestalten – und sein Leben verändert sich.
Franziskus hat angefangen – und die Welt beginnt sich zu ändern.
Schauen wir in einem zweiten Schritt noch tiefer auf die Botschaft, die der Heilige Franziskus uns heute Abend sagen kann! „Franziskus, siehst du nicht, dass mein Haus in Verfall gerät? Geh also hin und stelle es mir wieder her!’“ Dieses Wort versteht er als einen Auftrag des Gekreuzigten für sich persönlich, eben zunächst wörtlich, aber immer mehr sich ausweitend als seine Aufgabe für die ganze Kirche.
Ich lade uns alle ein, uns mit dem Heiligen Franziskus zu verbinden und uns in der Situation der Kirche und unserer Pfarrei heute mit ihm an Christus zu wenden mit der Bitte:
3. Herr, bau deine Kirche wieder auf und fange bei mir an!
Herr, bau deine Kirche wieder auf…
Ist das nicht eigentlich ein verwirrendes Wort: die Kirche wieder aufbauen? Erleben wir nicht auch in unserem Bistum und, wie anfangs gesagt, in ganz Europa, vielmehr eine Kirche, die nach und nach Gebäude abbaut, Kirchen schließt, Mitglieder verliert und in einer globalisierten Gesellschaft nur noch einen geringen Einfluss zu haben scheint?
Wo stehen wir mit unserer Pfarrentwicklung hier in Werdohl-Neuenrade? Erinnern wir uns kurz an den bisherigen Prozess, der im Votum einen Ausdruck findet.
Der letzte Satz heißt: „Wir müssen uns der Herausforderung stellen, trotz der Aufgabe der Gebäude NAH bei den Menschen zu bleiben und WACH ihre Sorgen und Bedürfnisse wahrzunehmen. Nur so können wir WIRKSAM Kirche vor Ort bleiben.“
Wirksam Kirche vor Ort bleiben!
Es ist wahr, und das werden vielleicht nicht wenige von uns denken, dass die Prozesse der Pfarrentwicklung vom Bistum, also eher von außen, initiiert und gesteuert werden – die Gründe sind sogar nachvollziehbar. Die Kirche
zukunftsfähig zu machen erfordert solche Prozesse. Aber ist das alles? Müssen wir uns als Pfarrei diesen Veränderungen einfach ergeben und sie mehr oder weniger gezwungenermaßen irgendwie gestalten?
Seit Beginn der Pfarrentwicklungsprozesse in unserem Bistum wird auch davon gesprochen, dass dies „ein geistlicher Prozess“ sein soll. Ja, dass der angestoßene Prozess überhaupt nur gelingen kann, wenn er zum „geistlichen Prozess“ wird. Die spannende Frage und damit die Herausforderung an uns alle ist: Wie geschieht das, wie wird daraus ein geistlicher Prozess? Damit wollen wir uns heute Abend ein wenig beschäftigen.
Die wohl wichtigste Voraussetzung ist unser Vertrauen, dass Gott durch seinen Geist in seiner Kirche von Anfang an am Werk ist, dass er hier und heute etwas mit uns vorhat, dass er mehr Liebe, Frieden, Gerechtigkeit, Versöhnung, mehr „Leben in Fülle“ für uns und für alle Menschen verwirklichen will – auch und gerade in dieser und mit dieser konkreten Pfarrei, auch und gerade inmitten aller Umbrüche und Krisen, auch und gerade in dieser säkularen Umgebung.
Welche inneren Haltungen sind es, die uns in diesem geistlichen Prozess helfen können?
– Eine erste: Herr, baue deine Kirche wieder auf und fange bei mir an!
Perspektivwechsel: Und fange bei mir an, nicht bei den anderen! Fange an, meinen Glauben an dein Wirken stärker zu machen, mein Hoffen, mein Vertrauen! Fange an, meinen Blick zu weiten über die eigene Gemeinde hinweg auf die Pfarrei und die Zusammenarbeit mit allen! Diese Zusammenarbeit beginnt bei mir selbst. Meine Einstellungen, meine Bedürfnisse, meine Befürchtungen, meine Sicht der Welt bestimmen meinen Weg der Zusammenarbeit. Man hört oft die Klagen, dass alles besser ginge, wenn sich nur der Pfarrer und die anderen Priester, die Mitglieder des PGR, des KV oder der Gemeinderäte und dieser und jener aus den Gemeinden ändern würde. Die Erfahrung zeigt uns, dass die sicherste Veränderung entsteht, wenn ich an mir selber arbeite, meine Einstellung und meine Emotionen anschaue. Wie glaube ich, wie denke ich, wie denke ich über andere, was fühle ich angesichts dessen, was hier in der Pfarrei geschieht oder nicht geschieht? Was ist meine eigentliche Motivation, wenn ich bestimmte Gottesdienstzeiten oder dieses und jenes kritisiere? Wir meinen oft, dass wir objektiv mit unserer Sicht der Dinge recht haben, aber tatsächlich sehen wir die Welt meistens so, wie wir selber sind. Wir sehen die Welt eben mit unserer jeweiligen Brille.
Fange bei mir an, das heißt andererseits auch: Jedes Ich in der Pfarrei ist wichtig, sogar entscheidend notwendig! Auch eine schwierige Situation kann durch Einzelne, die ihre Möglichkeiten und ihren Freiraum gut nutzen, langsam eine Wandlung erfahren. Wie viele gute und beste Beispiele gibt es da in unserer Pfarrei!!
– Eine zweite innere Haltung: Herr, baue deine Kirche wieder auf und fange bei uns an!
Fange bei uns an, deine Kirche wieder aufzubauen: durch unsere Art gemeinsam zu glauben, gemeinsam zu beten und Eucharistie zu feiern, durch unsere Art miteinander umzugehen, durch die Art, Feste miteinander zu gestalten und einander und anderen außerhalb der Pfarrei zu begegnen!
Eine der wichtigsten Voraussetzungen, so einen Weg miteinander zu gehen, ist das Hören: Wir können nur verstehen, was Gott von uns will, wenn wir genau hinhören: auf die Gedanken jedes und jeder einzelnen, gemeinsam auf das Wort Gottes, auch und vielleicht noch viel mehr, als es bis jetzt geschieht, auf außerhalb der Pfarrei stehende Menschen.
Gott will und wird seine Kirche erneuern, auch hier in Werdohl-Neuenrade! Das geschieht, wenn wir Sein Wirken im gelebten Leben der Pfarrei wahrnehmen; wenn wir im gemeinsamen Austausch und Gebet, auch in den Gremien, eine Unterscheidung einüben, um immer klarer und schärfer zu sehen, was er mit uns und seiner Kirche hier vor Ort vorhat.
Und eine dritte innere Haltung:
– Herr, baue deine Kirche wieder auf und fange bei uns als Pfarrei an, indem alle zusammen arbeiten in einem starken Wir!
Ich komm aus Wir!
Wir – nicht ich!
Mitte September entdeckte ich auf der Rückfahrt von einer Geburtstagsfeier
auf der A 40 an einer Autobahnbrücke das große Schild:
„Ich komm ́ aus Wir“! Welch ein starker Ausdruck für ein
Zusammengehörigkeitsgefühl und für das Erleben einer gemeinsamen Heimat!
Wir, die Pfarrei St. Michael-Neuenrade, nicht ich und meine Gemeinde St.
Michael
Wir, nicht ich und meine Gemeinde Eveking
Wir, nicht ich und meine Gemeinde Neuenrade!
Solches Denken und Empfinden kann helfen, immer wieder die Perspektive zu wechseln und vom Ganzen auszugehen. Ein Indikator und ein konkretes Beispiel für diese Perspektive: Ich komme aus WIR, ist die Entwicklung der Namen für die Pfarrblätter. Vor der Gründung der Pfarrei St. Michael- Neuenrade am 1.10. 2006 gab es den sogenannten Dreiklang für die Gemeinden Werdohl, Eveking und Ütterlingsen, in Neuenrade hieß das Pfarrblatt „Magnet“. In einem Prozess des Ringens um einen gemeinsamen Namen der Pfarrnachrichten für die gesamte Pfarrei entstand der Name „EinBlick“, bewusst in der Schreibweise „Ein Blick“. Dieser Name sollte nicht nur ein neuer Name für ein gemeinsames Pfarrblatt sein, sondern Programm, Lebensprogramm und Ausdruck für einen Lebensvorgang für die Menschen der Pfarrei.
Ein gemeinsamer Blick auf die ganze Pfarrei, auf die Zukunft der Pfarrei!
Ein Blick der Pfarrei auf den gemeinsamen Auftrag, die gemeinsame Sendung als Christen! Inzwischen liegen 11 Jahre der Entwicklung auf dieses Ziel hin zurück. Vieles haben wir erreicht, vieles liegt noch als Aufgabe und Herausforderung vor uns.
Für den Heiligen Franziskus war das WIR einer Gemeinschaft das zentrale Anliegen. Gleichzeitig wusste er: Das WIR gibt es nur, wenn die ICHS zusammenspielen. Wie geht das?
Das erfordert natürlich ein großes Vertrauen, das eine Person der anderen schenkt. Konkret heißt das auch, dass wir die Unterschiede der einzelnen Gemeinden wertschätzen, dass wir Freude an der Art und Weise ihrer Geschichte, ihrer Besonderheiten, ihrer Einzigartigkeit entwickeln, dass wir ihre Identität so weit wie möglich zu stärken versuchen. Wir dürfen nicht die Identität und das gewachsene Leben der Gemeinden Eveking, Neuenrade und Werdohl auf dem Altar der Pfarrei opfern. Gleichzeitig gilt allerdings, und das ist die Blick- und Zielrichtung in die Zukunft hinein, die eine andere wird als die derzeitige: Ich komme aus der Pfarrei St. Michael-Neuenrade! Das ist das WIR! Wenn wir so die Blickrichtung ändern, dürfen wir hoffen, dass wir bei aller Verschiedenheit immer neu sehen und umsetzen lernen, was uns miteinander verbindet und so gemeinsam die neue Geschichte, in die Gott uns führen möchte, gestalten können.
Im Internet las ich die Berufungsgeschichte eines jungen Mannes, der einen geistlichen Ort, eine Gemeinschaft suchte, die ihm entsprach. Er fand diese
schließlich, weil er bei einer konkreten Gemeinschaft der Franziskaner, mit der er im Rahmen von „Kloster auf Zeit“ zusammenlebte, eine Erfahrung machte, die er so ausdrückte: „Mein Ich fühlte sich vom Wir der Gemeinschaft angelockt.“
Ich erlaube mir die Frage: Fühlen Sie sich, fühlst du dich angelockt vom WIR der Gemeinschaft unserer Pfarrei? Fühlen sich die Menschen, die in Werdohl und Neuenrade mit uns zusammenleben, angelockt vom WIR unserer Gemeinschaft als katholische Christen?
Möge uns der Heilige Franziskus helfen, wirksam vor Ort Kirche zu leben! Das ist unser missionarischen Auftrag!
An den Schluss meiner Gedanken möchte ich ein Gebet stellen:
Herr, unser Gott,
den heiligen Franziskus von Assisi hast Du einst beauftragt: Franziskus, baue meine Kirche wieder auf!
Wir stehen in einem nicht einfachen Prozess der Pfarreientwicklung.
Uns bewegen dabei Freude und Aufbruchsstimmung, aber auch Sorgen und Ängste.
Gib uns Deinen Geist für die Begegnung und den Dialog. Wir haben Sehnsucht nach einer erneuerten Pfarrei,
in der wir gemeinsam Deine Gegenwart feiern können; in der wir gemeinsam die Frohe Botschaft Jesu Christi von der Liebe, Menschenfreundlichkeit und Güte Gottes, verkünden und leben können.
Wir bitten dich:
mache uns fähig miteinander zu sprechen, aufeinander zu hören, einander zu ermutigen.
Auf die Fürsprache des heiligen Franziskus von Assisi
bitten wir dich: Herr, erneuere deine Kirche und fange bei mir an. Baue deine Pfarrei St. Michael-Neuenrade und fange bei mir an. Amen
Frau Christel Kringe